rosenwick logo
  • Supervision
  • Systemische Therapie
  • Familienberatung
  • Die Welt mit anderen Augen sehen
  • Ressourcen nutzbar machen
  • Mit Spaß bei der Sache
  • Gemeinsam auf dem Weg

Geschichten

Zum Verständnis
In „Geschichten aus dem Leben“ greife ich immer mal wieder in kurzer Form Kontexte aus meiner Praxis auf, wie sie sich zugetragen haben oder wie sie mir erzählt worden sind. Mal sind es Familienepisoden, mal Begebenheiten aus der Supervision, mal aus der Jugendhilfe oder andere Hintergründe. Und ich beschreibe, wie ich damit umgegangen bin, wie ich das verstehe. Selbstverständlich gibt es zumeist unterschiedliche Möglichkeiten des Umgangs mit den jeweils beschriebenen Herausforderungen. Die von mir dargestellte war in der Situation hilfreich.

Wer sind meine Eltern?

Aufgrund einer medizinischen Diagnose werden bei einer jungen Frau und ihren Eltern Genuntersuchungen durchgeführt. Dabei stellt sich überraschenderweise heraus, dass die junge Frau nicht die leibliche Tochter ihrer Eltern ist. Nach einem ersten Schock und großer Ratlosigkeit stellt sich nach einigen Nachforschungen heraus, dass es auf der Säuglingsstation eine Verwechslung gegeben haben musste. Und tatsächlich konnte man die andere Familie auch ermitteln und damit die leiblichen Eltern der jungen Frau bzw. die leibliche Tochter ihrer Eltern. Es wurde ein Familientreffen organisiert, auf dem sich alle kennenlernen konnten.
Zu keiner Zeit war für eine der beiden jungen Frauen fraglich, welches ihre Eltern sind, zu welcher Familie sie gehören. Sicherlich wurde die eine oder andere Ähnlichkeit mit dem anderen Elternpaar deutlich. Eltern wird man weder durch Zeugung noch durch Geburt. Eltern wird man z.B. durch viele gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse.

„Immer bin ich schuld“

„Immer bin ich schuld.“, beklagt sich Ben. Er ist 6, sein kleiner Bruder 4. „Immer, wenn wir zusammen spielen und dann etwas kaputt geht oder mein kleiner Bruder anfängt zu jammern, werde ich angemeckert. Dabei bin ich’s doch meistens nicht gewesen.“
Reflexartig sprechen wir Eltern bei Konflikten zwischen unseren Kindern die älteren an. Weil wir denken, die müssten es doch wissen und können und die Verantwortung übernehmen.
Und ein anderes stimmt auch: gerecht ist das Leben und insbesondere Erziehung selten bis nie.
Vielleicht können die Älteren besser damit leben ungerecht behandelt zu werden, wenn auch mal die Jüngeren angesprochen werden, wenn etwas schief geht. Und haben Sie mal wieder das Gefühl, in diese Falle getappt zu sein: Sagen Sie es Ben.

Hätte ich das gewusst

Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrem Auto unterwegs. Sie haben es eilig. Sie befahren eine schmale Straße und vor Ihnen schleicht jemand mit seinem Auto daher. Überholen unmöglich. Wie gesagt: Sie haben es eilig.
Steigen in Ihnen langsam Puls und Blutdruck? Werden Sie nervöser?

Plötzlich ergibt sich doch eine Chance zu überholen. Sie schalten runter, geben Gas und ziehen vorbei. Als Sie auf gleicher Höhe sind, werfen Sie einen Blick in das andere Auto. Und werfen dem Fremden eine Geste zu. Welche Geste?

Stellen Sie sich vor, in dem Auto, das Sie endlich überholen, sitzt Ihr Chef. Wie reagieren Sie?
Und nun stellen Sie sich vor, in dem Auto sitzt der Mensch, in den Sie bis über beide Ohren verliebt sind, vielleicht offen, vielleicht heimlich. Wie reagieren Sie nun? Und wenn Sie das schon vorher gewusst hätten, wie wäre das Hinterherfahren dann gewesen?

Dreimal die gleiche Situation, drei, so vermute ich, unterschiedliche Reaktionen. Zumeist in unserem Leben wird unsere Gefühlslage nicht durch die Gegebenheiten bestimmt, sondern dadurch, wie wir sie verstehen, welche Bedeutung wir Ihnen beimessen.

So kann´s einem gehn

Eine Frau wollte mit ihrer Tochter zu mir kommen zum Gespräch. Eine Stunde Autofahrt, in eine ihr bekannte Stadt, da dort Freunde wohnen. Die vereinbarte Zeit ist 5 Minunten verstrichen, da klingelt mein Handy. Nach kurzem Gespräch ist klar, die Frau sucht in einem Nachbarort nach meiner Praxis. Und nach kurzer Erklärung macht sie sich weiter auf den Weg. Aber anstatt nach ca. 15 Minuten am vereinbarten Ort zu sein, klingelt nach ca. 25 Minuten mein Handy wieder. Jetzt ist sie wohl im richtigen Ort, aber in der falschen Straße. Nach weiteren 5 Minuten ist das Ziel erreicht.

Aufregung kann schon Erstaunliches bewirken

Partizipation im Team

Ein Teamleiter erteilt einem seiner Mitarbeiterinnen den Auftrag, einen neuen Standartbrief zu verfassen. Als er das Schreiben erhält ist ihm sofort klar, dass er dieses so nicht verschicken will. Die vielen Formulierungen in Amtsdeutsch sind nur schwer zu verstehen. Er will aber auch seine Mitarbeiterin nicht beschämen, bedankt sich freundlich und hat schon für sich entschieden, dass er den Brief selber überarbeiten wird, nachdem er erst
vor Kurzem 14 Tage wegen Erschöpfung arbeitsunfähig war.
Dem Teamleiter ist wichtig, dass die Menschen, für die sein Team arbeitet gut gesehen sind und ihm ist wichtig, dass seine Mitarbeiterinnen sich durch ihn nicht überfordert fühlen und auch nicht beschämt. All das hatte er bisher immer für sich behalten. So entstand die Idee, mit dem Team offen und konkret über diese drei Themen zu sprechen. Und über sein Dilemma, das er auf diesem Weg versucht zu beheben. Und auch offen darüber zu sprechen, dass Talente unterschiedlich verteilt sind, nicht jede alles machen kann und muss und er sich eine Teamkultur wünscht, in der sich alle gegenseitig in ihren Stärken unterstützen.

Auf geht´s

Herausforderungen annehmen

In der Lehrsupervision berichtet eine Supervisorin in Ausbildung, dass in ihrem Ausbildungskurs eine Teilnehmerin ist, die sich sehr viel Raum nimmt, kaum zu bremsen ist und deren Beiträge leider nicht besonders bereichernd seien. Nun habe sie für sich beschlossen, dieser Teilnehmerin in der Kleingruppenarbeit aus dem Weg zu gehen.
Nur zu verständlich.
Nach einiger Zeit kam der Gedanke auf, dass das Leben bunt ist und genauso die Menschen. Und dass es schweigsame und redselige gibt, laute und leise etc. Und dass man im beruflichen Alltag – und genauso als Supervisorin – dieser bunten Vielfalt von Menschsein begegnet.
Schließlich entschied sich die angehende Supervisorin die Begegnung mit der Kollegin in der Ausbildung für sich zu nutzen und mir ihrer Hilfe einerseits die eigene Haltung, duldsamer mit sich und den Menschen zu sein  weiterzuentwickeln und andererseits, kompetenter darin zu werden redseligen Menschen sprachlich zu begegnen und Raum zu schaffen für die eigenen Inhalte.

Eine Autofahrt

Ich war heute Abend bei einsetzender Dunkelheit, Regen und Wind mit dem Auto auf dem Nachhauseweg. An einer roten Ampel musste ich warten und mir gegenüber stand ein Fahrzeug mit Standlicht. Die nächsten Sekunden war ich so damit beschäftigt zu versuchen meinem Gegenüber dies zu signalisieren, dass ich nicht realisierte, dass das grüne Licht der Ampel nur für die Linksabbieger galt und nicht für mich. Ich war also losgefahren und stand nun, nachdem ich das bemerkt hatte, etwas unbeholfen auf der – Gott sei Dank – verkehrsarmen Kreuzung. Kurze Zeit später entschloss ich mich, meine Fahrt fortzusetzen und weiter ist dann auch nichts passiert.
Warum erzähle ich diese Geschichte? Nun, solcher Art Erfahrungen machen wir Erwachsenen immer mal wieder. Uns misslingt etwas und zumeist bleibt dies ohne nennenswerte Folgen. Aber wie gehen wir mit unseren Kindern und Jugendlichen um in solchen oder ähnlichen Situationen? Stellen Sie sich vor, ihr Sohn oder ihre Tochter ist im begleiteten Fahren und ihr oder ihm passiert das oben Beschriebene. Wie reagieren Sie? Und hätte sich aufzuregen, laut zu werden, lange Erklärungen folgen zu lassen wirklich einen Mehrwert? Ich frage mich manchmal, wie oft am Tag mein Handeln oder Nicht-Handeln kritisiert würde von einem Wesen, das mit erzieherisch-kritischem Blick meinen Alltag begleitet und mir gegenüber eine Rolle einnehmen würde wie wir Erwachsenen gegenüber Kindern?

5-jährige Schwester

Eine fünfjährige neigt dazu, ihre zweijährige Schwester immer wieder solange zu triezen, bis diese weint. Dann ist sie selber irritiert und versucht ihre kleine Schwester zu trösten. Auf meine Idee: „Laden Sie Ihre Tochter ein, immer wenn sie bei sich merkt, dass sie ihre kleine Schwester ärgern will, soll sie zu Ihnen kommen und mit Ihnen kuscheln“, antworten die Eltern: „Aber das nutzt die dann doch nur aus und will ständig mit uns kuscheln!“. Darauf ich: „ Ach wissen Sie, das will ich hoffen, dass Ihre Tochter gerne Ihr Angebot annimmt. Kuscheln ist etwas schönes und erst recht mit Mama und Papa. Aber glauben Sie mir, das wird schnell wieder nachlassen, weil es Kinder mit sicherer Basis drängt, die Welt zu erobern.
Ganz bestimmt wird es zumindest in der Anfangszeit noch immer wieder dazu kommen, dass die kleine Schwester weint. Machen Sie kein Aufsehen drum, trösten Sie beide und schon geht das Leben weiter.“

Jede Medaille hat zwei Seiten und wir haben uns angewöhnt immer nur die eine zu sehen. In dem Fall, dass die arme kleine Schwester sich geärgert fühlt, sich nicht anders zu helfen weiß und wir Erwachsenen meinen, jedes Ungemach von unseren Kindern fernhalten zu müssen. Dass die kleine Schwester nebenbei lernt, auch Ungemach geht vorüber, ich kann das aushalten, es gibt Lösungen... blenden wir dabei aus. Aber tatsächlich gibt es keine bessere Zeit als die Kindheit, sich darin einzuüben, mit Erwachsenen im Rücken, die als letzte Rettung immer noch zur Verfügung stehen. Einzelkinder, die diese Lektion erst in der Pubertät oder im Erwachsenenalter lernen, haben es da viel schwerer.

Verlängerte Reifung

Eltern berichten von ihrem 21jährigen Sohn, der bis nach der mittleren Reife ein Vorbild an Verlässlichkeit, Kooperation und Einfühlsamkeit war. Kurze Zeit später fing er an in kleinen Schritten dies augenscheinlich alles zu verlieren. Er lies sich Haare und Bart wachsen und ging nicht mehr zum Friseur, legte sich mit seinem Chef und Kollegen an (insbesondere bei Themen, bei denen er durchaus im Recht war), wurde für seine Familie immer weniger zugänglich, schloss sich einer neuen Clique an, begann Haschich zu rauchen...
Schließlich verlor er eines Tages seinen Führerschein wegen Fahrens unter Drogeneinfluss, seiner Arbeit ging er weiter verlässlich nach.
Seine Eltern waren verzweifelt, stellten ihn häufig zur Rede, erklärten ihm fast täglich, was er falsch und was er statt dessen machen sollte. Es raubte ihnen den Schlaf und sorgte bei ihnen für viel Diskussion und Tränen.
Studien zu Menschen mit schwieriger Kindheit (Alkohol, Gewalt, Missbrauch, Verwahrlosung...) belegen, dass nicht wenige von diesen nach einem sehr turbulenten dritten Lebensjahrzehnt wie durch Zauberhand mit Mitte/Ende 20 plötzlich ihr Leben einen roten Faden erhält: stabile Partnerschaft, verlässliche Berufstätigkeit, enge Freundschaften...
Nun hatte der 21jährige in dieser Geschichte alles andere als eine schwierige Kindheit. Und auch wenn wir in Deutschland mit 18 volljährig sind, dauert die Reifung der Persönlichkeit bei manchen mitunter deutlich darüber hinaus. Nur sind die Effekte bei Jugendlichen halt andere als bei jungen Erwachsenen.
Auf meine Idee : “Versuchen Sie jegliches Diskutieren, jegliche Ratschläge – die Ihr Sohn sowieso schon alle kennt – wegzulassen und statt dessen, vor allem ihm zuzuhören. Gehen Sie davon aus, dass er sein größter Kritiker ist, er jeden Tag mit sich hadert. Suchen Sie, schöne Zeiten, schöne Momente mit ihm zu gestalten, nehmen Sie ihn gerne und oft in den Arm und genießen Sie das.“ Darauf die Eltern: „Das hört sich gut an. Diskussion und Ratschläge weglassen wird uns – fürchte ich – aber sehr schwer fallen.“